Wer darf über Jazz in Leipzig sprechen?

Wer darf über Jazz in Leipzig sprechen?

Wer darf über Jazz in Leipzig sprechen? 1920 1080 Music S Women*

Warum wir finden, dass Diversität in allen Bereichen und zu jeder Zeit in der Musikbranche mitgedacht und integriert werden muss, um einen signifikanten Wandel zu erreichen. Und warum dafür jede Veranstaltung zählt. Unser Kommentar zur Veranstaltung von LeipJAZZig „Jazz aus Leipzig: 1996 bis heute“.

Zunächst danken wir euch für die Hinweise und auch für das Vorschlagen als kompetente Kooperationspartnerin! Wir können unsere Augen und Ohren nicht immer überall haben und sind darauf angewiesen, dass ihr uns auf Probleme aufmerksam macht!

Bei der erwähnten Veranstaltung handelt es sich um einen Showcase-Abend des Leipziger Vereins “LeipJAZZig e.V.” zum Thema “Jazz aus Leipzig: 1996 bis heute”, von und mit Mitgliedern des Vereins. Jetzt gab es ein paar kritische Kommentare unter dem Post zum nahezu komplett männlichen Line-Up und einige Storys, in denen wir auch verlinkt wurden. LeipJAZZig reagierte auf die Kritik mit dem Hinweis, dass ja alle einen Mitgliedsantrag stellen könnten und dadurch dann auch das Line-Up diverser werden würde.

Das ist ein berechtigter Punkt, jedoch wollen wir hier mal einhaken und zu einem Perspektivwechsel anregen.

Insbesondere aus der Jazzszene haben wir für unsere öffentlichkeitswirksamen “Call outs” schon häufig heftige Kritik eingefahren. Grundsätzlich gilt: wir wollen hier kein sinnloses Bashing anderer engagierter Menschen im Kulturbereich betreiben. Wir wollen auf Probleme hinweisen und den Interessen von marginalisierten Gruppen in unserer Musikszene Gehör verschaffen.

Die Argumentation, dass es ein “Abend von und mit Vereinsmitgliedern” ist und man mit einem Mitgliedsantrag beim nächsten Mal mit dabei wäre, ist berechtigt und aus der Perspektive der Veranstaltenden nachvollziehbar. Warum möchten wir hier dennoch genauer hinschauen?

Das Thema

“Jazz aus Leipzig: 1966 bis heute” – das ist ein sehr großes Thema. Man sieht dazu das Plakat und bei Besucher*innen kommt an: Jazz in Leipzig ist vor allem eins: männlich, weiß und ohne Behinderung. Dass das aber nicht der Realität entspricht, versuchen viele Engagierte permanent aufzuzeigen. Warum also nicht dem Titel gerecht werden und Mitglieder mit potenziellen Neu-Mitgliedern auf eine Bühne stellen?

Zugänglichkeit

Wir haben wirklich beharrlich gesucht, aber keinen Mitgliedsantrag gefunden. Auch gibt es keine Info zu Preisen o.ä. Eine Satzung haben wir auch nicht entdeckt. Wenn man möchte, dass der Verein diverser wird und dem Vereinsziel (“Das Abbilden und die Förderung der Leipziger Jazzszene in ihrer gesamten stilistischen Breite”) gerecht wird, braucht es leichtere Zugänglichkeit. Für alle.

Gemeinnützigkeit

Wem kommt Förderung zugute? Wer bekommt eine Bühne? Darf es dafür die Hürde einer Mitgliedschaft geben? Wir können das nur für uns selbst beantworten: Die Basisaufgaben unseres Vereins wollen wir nicht an Mitgliedschaften knüpfen. Auch nicht wer wann wie sichtbar wird auf unseren Plattformen. Erst recht nicht, wenn Fördergelder im Spiel sind. Musik ist ohnehin ein Frage der Klasse – das wollen wir möglichst nicht noch reproduzieren.

Jetzt könnte man sagen: es ist doch nur ein Abend!

Stimmt. Mal abgesehen davon, dass auch der Rest des Konzertprogramms nach unseren Recherchen eher männlich geprägt ist, gibt es bei dieser Veranstaltung ein wichtiges Detail: an diesem Abend ist der Eintritt frei, was eine super Sache ist. Das schafft breite Zugänglichkeit – eine großartige Gelegenheit für marginalisierte Gruppen (die häufiger ökonomisch schlechter gestellt sind) Role Models und Inspiration zu entdecken. Gerade dann ist ein diverses Line Up ein großer Beitrag für mehr Gleichberechtigung im Jazz.

Es ist mal wieder eine Frage von: Wer darf über Jazz in Leipzig sprechen? Wer bekommt Raum, bekommt eine Bühne?

Erst wenn wir Diversität in allen Bereichen und zu jeder Zeit in der Musikbranche mitdenken und integrieren, werden wir einen signifikanten Wandel erreichen. Es muss selbstverständlich werden. Und ja, es ist komplex, es ist anstrengend, aber wer es wirklich ernst mit dem Thema meint, versucht es. Und das Gute: wir sind nicht allein damit. Wir können uns gegenseitig dabei helfen.

Nur der Wille muss da sein.

Machen wir uns klar: Jedes kleine Rädchen zählt. Jede Veranstaltung macht einen Unterschied.